Die Erfindung des boshanlu
 
     
  Schluss  
 

Abschließende Bemerkungen

Meine Ausführungen sollen selbstverständlich die zitierten Arbeiten nicht in Frage stellen. Zweifellos haben Räuchergefäße schon in der Han-Zeit eine besondere Rolle gespielt. Die mit bergförmigen Deckeln versehenen Stücke bilden dabei eine Sondergruppe, da sie entgegen der Entwicklung der Räuchergefäße nicht im Süden aufkamen sondern offenbar während der Regierungsperiode Kaiser Han Wudis „erschaffen“ wurden und eine Modeerscheinung – die Bergform – aufgriffen.  

Ziel der Untersuchungen war jedoch, die Bedeutung dieser Gefäßform zu relativieren. Dabei sollte von Fakten ausgegangen werden, die dank der modernen Archäologie in zunehmendem Maße eine gute Datenbasis schaffen. Im Fall der sogenannten boshanlu-Räuchergefäße besagen diese zwar, daß diese Gefäße zu den Luxusgegenständen der gesellschaftlichen Oberschicht gehörten, aber -wie ich zu zeigen versucht habe- kein bestimmendes Elemente dieser Gruppe darstellten. Vielmehr scheint ihnen eine besondere Bedeutung erst etwa ab dem vierten nachchristlichen Jahrhundert zugeordnet worden zu sein, in einer Zeit da sich der Buddhismus und mit ihm das Verbrennen von Räucherwerk zu Andachtszwecken schon relativ weit im Land verbreitet und durch den zunehmenden zeitlichen Abstand zur Han-Dynastie sich der Blick auf das Altertum schon zu verklären begonnen hatte.[49]

Den eigentlichen Ausschlag dafür, daß auch heute noch Archäologen und Kunsthistoriker diese Bezeichnung für Räuchergefäße mit bergförmigem Deckel benutzen, gaben jedoch sicher die „Anfänge der wissenschaftlichen Archäologie“[50] in der Song-Zeit. Die in dieser Zeit gemachten Fortschritte in der Archäologie, der Katalogisierung von Antiquitäten und in der Epigraphik waren für die Entwicklung der chinesischen Kunstwissenschaft von enormer Bedeutung. Entsprechend muss auch die Abbildung des boshanlu im Kao gu tu sehr hoch bewertet werden, zweifellos war sie prägend für die bildliche Vorstellung von Räuchergefäßen über Jahrhunderte. Ebenso ist die Wichtigkeit der zur Erklärung herangezogenen Textzitate einzuschätzen.

Wenn auch die boshanlu überbewertet zu sein scheinen, ist jedoch eine gestiegene Bedeutung der Bergform nicht zu übersehen. Möglicherweise kann eine Ikonologie des Berges in der Kunst der Han-Zeit mehr Klarheit bringen und vielleicht ergibt sich daraus dann eine andere Bewertung der sogenannten boshanlu-Räuchergefäße.

 
     
 
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[49] Auf verschiedenen buddhistischen und daoistischen Stelen werden Räuchergefäße vor der verehrten Figur gezeigt. Hier nur einige Beispiele:
   - Stele mit Guanyin. Nördliche-Qi. Shanxi, Taiyuan, Huata. (publ. Tokyo National-Museum, Huanghe Wenming Zhan, Abb. 131);
   - Shakyamuni und Prabhutaratna. Vergoldete Bronze, dat. 518. Paris, Muisee Guimet. (publ. Snelgrove ed.: The Image of the Buddha, Abb. 161, S. 213);
   - Daoistische Stele mit Inschrift. Nördliche-Wei, dat. 519. Yaoxian, Yuewangshan. (publ. Kaogu yu wenwu 1987.3, S.22);
   - Nische mit Bodhisattva. Yungang, Höhle 19b, Ende 5. Jh. (publ. Mizuno/ Nagahiro, Yungang, Vol.13, Höhle 19, Tf. 122).
Als ein Beispiel aus dem weltlichen Bereich kann das Keramik-Modell „Berg und Teich“ in sancai-Glasur aus der Tang-Zeit, Westlicher Vorort von Xi’an, angeführt werden (publ. Zhongguo Shaanxisheng chutu wenwu, Katalog Osaka Museum, Nr. 68). back

[50] Gernet (1972), S. 291. back