Taiwan heute, 16. Jg. Nr. 3, Mai/Juni 2003
 
     
 

Die Schätze der Himmelssöhne aus dem Nationalen Palastmuseum Taipeh
Mit 400 Objekten aus fünf Kategorien wird ab Juli 2003 ein einzigartiger, repräsentativer Querschnitt der reichen Kunstschätze aus dem Nationalen Palastmuseum Taipeh in Deutschland zu sehen sein.
von Chi Jo-hsin
Fotos mit freundlicher Genehmigung des Nationalen Palastmuseums Taipeh

[Bild] Rundes Sammelkabinett mit indischem Lotus-Dekor zum Aufbewahren antiker Jadeschnitzereien und anderer Miniaturen
Qing-Dynastie (1644-1911), ca. 18. Jahrhundert
Bambusholz, 24,5 x 18,5 x 18,5 cm

Als Ergebnis zehnjähriger Anstrengungen, Planungen, Verhandlungen und engagierter Zusammenarbeit zwischen den Mitarbeitern der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland in Bonn (KAH) und des Nationalen Palastmuseums Taipeh (NPM) können ab dem 18. Juli 2003 genau 400 Objekte aus dem NPM von der Öffentlichkeit im Berliner Alten Museum in Augenschein genommen werden.

Nach intensiven Besprechungen und Verhandlungen stimmten die Organisatoren der deutschen Seite und die betreffenden Forscher der unterschiedlichen Bereiche vom NPM gemeinsam die Ausstellung auf das Interesse der Menschen im deutschsprachigen Raum ab. Gemäß den Auswahlprinzipien der kaiserlichen Sammlung wählte man 144 Gemälde und Textilarbeiten, 237 Objekte der Antiquitätenkategorie sowie 19 Bücher und Dokumente aus, darunter auch Bücher, die bei der Ausstellung des NPM 1996/1997 in vier US-amerikanischen Städten (New York, Chicago, San Francisco und Washington DC) und bei der Ausstellung 1998/1999 im Grand Palais zu Paris nicht gezeigt worden waren.

Die Objekte in der Sammlung des NPM kommen hauptsächlich aus der kaiserlichen Sammlung der Qing-Dynastie (1644-1911). Der Kaiserpalast der Qing, also die Verbotene Stadt ( Zijincheng) in Peking, war zwischen 1406 und 1421 von den Herrschern der Ming-Dynastie (1368-1644) gebaut worden. Nachdem der letzte Kaiser der Qing-Dynastie Pu Yi (1906 -1967, Regierungszeit 1908-1911) im November 1924 aus der Verbotenen Stadt vertrieben worden war, wurde der Palastbezirk 1925 zum Palastmuseum Peking erklärt. [Anmerkung des Übersetzers: Peking war zwischen 1928 und 1949 nicht Hauptstadt Chinas und hieß in dieser Zeit Beiping "nördlicher Frieden".] Andere Stücke in der Sammlung des NPM stammen aus dem Nationalen Zentralmuseum, und außerdem bewahrt das NPM Sammelstücke von privaten Eigentümern auf. Jedes Jahr kauft das NPM überdies mit seinem eigens dazu eingerichteten Budget Kunstgegenstände hinzu. Zwar befinden sich darunter zahlreiche exquisite Stücke, doch werden von den Neuerwerbungen nur solche bei der Ausstellung in Deutschland gezeigt, die ursprünglich zur kaiserlichen Sammlung gehörten, später aber aus der Verbotenen Stadt entfernt wurden.

Die Qing-Dynastie wurde durch die Hsinhai-Revolution am 10. Oktober 1911 zu Fall gebracht, und 1912 wurde die Republik China gegründet. Im Jahre 1914 richtete das Innenministerium der Republik China das Altertumsmuseum ein, wo die Objekte aus dem Kaiserpalast in Shenyang, der kaiserlichen Residenz Jehol, dem berühmten Sommerpalast ( Yiheyuan bei Peking und der kaiserlichen Residenz "Garten des Friedens" ( Jingyiyuan) zusammengetragen und aufbewahrt wurden. Als 1933 das Nationale Zentralmuseum eröffnet wurde, nahm man auch die Sammlung aus dem Altertumsmuseum darin auf. Diese Stücke waren zwar während der Qing-Dynastie nicht in der Verbotenen Stadt aufbewahrt worden, gehörten aber den Qing und wurden vom Kaiserhof verwaltet.

Als die Mandschu-Kaiser Kangxi (1654-1722, Regierungszeit 1661-1722) und nach ihm Qianlong (1711-1795, Regierungszeit 1736-1795) Inspektionsreisen in den Osten machten, nahmen sie für die Ausschmückung der alten Kaiserresidenz in Fengtian (heute Provinz Heilongjiang) zahlreiche Kunstgegenstände mit. Wenn sie sich auf den Sommersitz in den Bergen zurückzogen oder im Herbst auf die Hirschjagd gingen, wurden ebenfalls Kunstgegenstände mitgenommen. Diese Objekte wurden dann zum Teil an diesen Orten zur permanenten Aufbewahrung gelassen.

Aus den Aufzeichnungen der Abteilung für Herstellung und Verwaltung des Kaiserhofes geht hervor, dass Kaiser Qianlong oft Artefakte aus der Sammlung der Verbotenen Stadt oder zu jener Zeit hergestellte Kunstgegenstände auswählte und von Kurieren nach Fengtian oder zur Kaiserresidenz Jehol zur Aufbewahrung bringen ließ. "Fengtian" ist eine andere Bezeichnung für die kaiserliche Residenz in Shenyang, und die kaiserliche Residenz in Jehol diente als Zufluchtsort in den Bergen vor der Sommerhitze. Der Sommerpalast und die Residenz "Garten des Friedens" liegen nicht weit von der Hauptstadt Peking entfernt, und die Qing-Kaiser hielten sich zur Erholung gern und oft in den dortigen Palastgebäuden und den Gartenanlagen auf.

Die Ausstellung des NPM in Berlin und Bonn kann in fünf Kategorien eingeteilt werden. Die erste Kategorie umfasst Gegenstände aus der Jungsteinzeit bis zur Zeit der Tang-Dynastie (618-906), also aus einem Zeitraum von mehreren tausend Jahren. Die in der "kaiserlichen Sammlung" der Vor-Qin-Zeit (vor 221 v. Chr.), der Drei Königreiche (221-280 n. Chr.) und der Sechs Dynastien (222-589 n. Chr.) enthaltenen Bronze- und Jadegegenstände stellen den Leitsatz dieser Kategorie "Die glänzenden Kunstleistungen sind das Symbol für die Zivilisation des Menschen" dar.

Das älteste Exponat dieser Ausstellung ist eine kleine Jadefigur in Vogelform ( yuniao) aus der jungsteinzeitlichen Hongshan-Kultur, deren Alter auf 5000 bis 6000 Jahre geschätzt wird. Das größte und schwerste Objekt der Ausstellung ist ein ding-Dreifuß aus Bronze, nämlich ein "von Yin für seinen verehrten Vater Ting" gefertigtes Speiseopfergefäß (Yin-tso -wen fu ting, 75,9 cm hoch und 63,65 kg schwer) aus der Zeit der späten Shang bis frühen Westlichen Zhou (ca. 13. bis 11. Jahrhundert v. Chr.). Sowohl der Jadevogel aus auch der Bronzedreifuß zählen zur ersten Ausstellungs-Kategorie. Die anderen Objekte umfassen Ritualgegenstände und Utensilien für den täglichen Gebrauch, etwa ein quadratischer Ritualjadeschmuck (duojie yucong) aus der neolithischen Liangzhu-Kultur, ein "Weinopfergefäß für die Befehlserteilung an Song" ( song hu) aus der Spätzeit der Westlichen Zhou-Dynastie (ca. 1000 bis 770 v. Chr.), Bronzespiegel aus den Dynastien Han (207 v. Chr. bis 220 n. Chr.) und Tang (618-906), bronzene Weihrauchbecken aus der Östlichen Han (23-220 n. Chr.) und der Zeit der Sechs Dynastien (222-589), ein Wärmebecken (jiaodou ) mit Phönixkopf und Tigerfüßen aus der Zeit der Sechs Dynastien und andere.

Von unschätzbarem Wert ist die "Ode auf die Bachstelze" ( jiling song), die als das einzige von Tang-Kaiser Xuanzong (685-762, Regierungszeit 712-755) mit eigener Hand für die Nachwelt geschriebene Dokument gehalten wird. Ebenfalls in der Tang-Dynastie lebte der berühmte Kalligraf Yan Zhenqing (709-785), der in einem Brief an den kaiserlichen Gesandten Liu die siegreiche Strafexpedition des Hofes gegen den Aufständischen An Lushan (703-757) enthusiastisch beschrieb (Liuzhongshitie). Diese zwei Werke gehörten ursprünglich zu der alten kaiserlichen Sammlung des Qing-Hofes, doch der Brief von Yan Zhenqing verschwand aus dem Kaiserpalast und konnte erst vor kurzem vom NPM erworben werden.

[Bild] Der italienische Jesuitenmissionar und Maler Guiseppe Castiglione -- in China unter dem Namen "Lang Shining" bekannt -- war am Hof des Qing-Kaisers Qianlong tätig und der einzige westliche Maler, dessen Werke Eingang in die kaiserliche Sammlung fanden.

Die zweite Kategorie der Ausstellung in Berlin und Bonn umfasst Kulturgegenstände aus der Zeit der Fünf Dynastien (907-960), der Nördlichen Song-Dynastie (960-1126), der Südlichen Song-Dynastie (1126-1279) sowie der Dynastien Liao (916-1125) und Jin (1115-1234). [Anmerkung des Übersetzers: Im Laufe der chinesischen Geschichte standen die herrschenden Dynastien zuweilen unter dem Druck konkurrierender Staaten am Rande des Reiches, die mitunter mit kriegerischen Aktionen Teile der chinesischen Scholle unter ihre Kontrolle brachten. Im Zuge der Assimilierung an die unterworfene chinesische Oberschicht gründeten diese konkurrierenden Staaten oft eigene Dynastien, so dass die chinesische Historiografie in Zeiten staatlicher Zerrissenheit gleichzeitig mehrere Dynastien verzeichnet. So wurde etwa die Nördliche Song-Dynastie vom nördlichen Fremdvolk der Dschurdschen-Tataren allmählich nach Süden abgedrängt; die Dschurdschen gründeten auf nordchinesischem Gebiet die Jin-Dynastie, während die Song-Dynastie als Südliche Song südlich des Yangtze-Flusses weiter bestand.]

Thema und Hauptinhalt dieser Kategorie sind die kulturellen und technologischen Aspekte der damaligen kaiserlichen Sammlung. Sowohl in der Nördlichen Song-Dynastie als auch in der Südlichen Song waren zahlreiche Kaiser Kunstsammler und Kunstliebhaber, doch am bedeutendsten von ihnen war zweifellos Kaiser Huizong (1082-1135, Regierungszeit 1101 -1125). Er vermählte die Rollen des Kaisers und des Künstlers perfekt in sich selbst. Zwar fallen nach tausend Jahren die Urteile über seine Leistungen und Fehler mitunter sehr unterschiedlich aus, doch der von ihm geschaffene "schlanke Goldschrift"-Kalligrafiestil (shoujinshu ) wird bis heute hoch geschätzt. Nur in Bonn wird im Rahmen der Ausstellung Huizongs Kalligrafie "Zwei Gedichte" (cuo'e wanren shi ) zu bewundern sein.

Das NPM beherbergt auch Keramik und Porzellan aus den Dynastien Song, Liao und Jin. Viele dieser Stücke sind in der ganzen Welt bekannt. In der Ausstellung in Berlin und Bonn werden folgende Objekte gezeigt: eine blassblaugrüne Schale (ruyao fenqingpen) aus der Song-Dynastie, eine Vase in Form eines archaischen Jade- cong (guanyao congshi ping) aus der Südlichen Song-Dynastie, eine Kopfstütze in Form eines liegenden Kindes ( dingyao ying'erzhen) aus der Song-Dynastie, eine "mondweiße" Vase in Form eines Weingefäßes mit vorspringenden Graten ( junyao yuebaizun) aus der Zeit der Dynastien Jin und Yuan (1279-1368), eine Schale ( longquanyao zheyanxi) aus der Südlichen Song-Dynastie, eine schwarze Teeschale mit Blattmotiv (Jizhou yao heiyouye wenwan) aus der Song-Dynastie und viele andere mehr.

Die in der Song-Dynastie hergestellten Bücher und Textilarbeiten sind ebenso kostbar und selten wie die Kalligrafien und Gemälde jener Zeit. Unter den für die Ausstellung in Deutschland ausgewählten Büchern und Textilien aus der Sammlung des NPM gehören eine Avatamsaka-Sutra (dafang guangfo huayanjing ) aus der Nördlichen Song-Dynastie und das Wörterbuch Erya, allesamt hochgeschätzte und seltene Bücher. Ebenfalls ausgestellt wird das Bild "Eisvogel und herbstlicher Lotos" (cuiyu qiuhe) eines unbekannten Künstlers aus der Song-Dynastie, das viele Betrachter an das Malereialbum der Südlichen Song (Nansong ceye) erinnert.

Der von dem neokonfuzianischen Philosophen Zhu Xi (1130-1200) der Südlichen Song-Dynastie geschriebene Kommentar zum Buch der Wandlungen (yi xici) wurde von bekannten Sammlern in den Dynastien Yuan und Ming aufbewahrt und fand während der Qing-Dynastie Eingang in die kaiserliche Sammlung. Der Kommentar wurde während der Regierungszeit des Qing-Kaisers Qianlong in das Katalogwerk "Rote Seidenkästchen-Ausgabe" ( shiqu baoji, chubian) aufgenommen, und Kaiser Daoguang (1782-1850, Regierungszeit 1821-1850) schenkte Zhu Xis Kommentar dem Prinzen Yixin (1832-1898). Im Jahre 1986 stiftete dann ein in Japan lebender Sammler namens Lin Tsung-yi (*1923) dieses Werk dem NPM.

Der in der Ausstellung enthaltene illustrierte Katalog von Altertümern aus der Xuanhe-Halle ( Xuanhe bogu tulu) ist zwar ein Druck aus der Yuan-Dynastie, war aber ursprünglich auf Befehl von Song-Kaiser Huizong redaktionell erstellt und von Wang Fu (?-1126) geordnet worden. (Anmerkung des Übersetzers: "Xuanhe" bezeichnet einen Teil der Regentschaft von Huizong, nämlich den Zeitabschnitt von 1119 bis 1125.) In dem Katalog sind über 800 zu jener Zeit vom Kaiserhof gesammelte Bronzeartikel aufgelistet, zu jedem Stück sind Abbildungen über die Form, Ornamente und Inschriften sowie Angaben über die Größe und den Aufbewahrungsort angefügt. Der Katalog wurde äußerst wissenschaftlich erstellt und entspricht auch nach 900 Jahren noch dem Standard moderner Kataloge.

Das ting-Speiseopfergefäß "für den Vater Gui aus dem Clan X" ( X-fu Gui ding) gehörte ursprünglich zur Xuanhe -Hofsammlung und wurde später der Sammlung des Nationalen Zentralmuseums zugeführt. Heute gehört es dem NPM, und bei der Ausstellung in Deutschland ist es Bestandteil der Bronzeobjekt-Kategorie der drei Dynastien Xia (legendär, ca. 2000 -1500 v. Chr.), Shang (ca. 1500-1000 v. Chr.) und Zhou (ca. 1000-221 v. Chr.). Zwar gehören sie zur ersten Kategorie, werden aber in Bonn neben dem illustrierten Katalog von Altertümern aus der Xuanhe-Halle (s. o.) ausgestellt, um die geschichtlich belegte Kontinuität in der kaiserlichen Sammlung zu verdeutlichen.

Die von den Mongolen errichtete Yuan-Dynastie dauerte zwar in Wirklichkeit noch nicht einmal hundert Jahre, doch in der Zeit des Nomadenreiches (1206-1259) hatten sie zahlreiche kulturelle Einflüsse aufgenommen, und nach dem Ende der Eroberungszeit (1260-1368) erschien eine prächtige und vielseitige Kunst und Kultur. Dieser Komplex steht im Mittelpunkt der dritten Kategorie -- Darstellung der kunsthandwerklichen Leistungen der Yuan-Zeit und die Bemühungen der zeitgenössischen Maler und Kalligrafen bei der Arbeit mit Pinsel und Tusche.

Einer der herausragendsten Künstler aus der Frühphase der Yuan-Dynastie, Zhao Mengfu (1254-1322), setzte sich nicht nur für die Rückbesinnung auf die alten Werte ein, sondern vertrat auch die These, dass Kalligrafie und Malerei die gleichen Wurzeln hätten, und empfahl Malern und Kalligrafen folgende Leitsätze: "Beim Malen von Steinen muss man in fliegender Eile arbeiten, damit weiße Flecken erhalten bleiben. Beim Malen von Bäumen muss man so verfahren wie beim Schreiben von Kanzleischrift. Beim Malen von Bambus muss man alle acht Techniken der Kalligrafiekunst beherrschen." Zhaos in dieser Ausstellung enthaltenes Gemälde "Alter Baum, Bambus und Fels" ( kemu zhushi) verdeutlicht seine Ansicht vortrefflich.

Daneben zeigt die Ausstellung auch Bilder der vier berühmtesten Maler der Yuan-Dynastie -- Huang Gongwang (1269 -1354), Ni Zan (1301-1374), Wu Zhen (1280-1354) und Wang Meng (1308-1385). Ihre Gemälde und auch Werke anderer Yuan-Maler wie etwa Qian Xuan (1235-1303), Wang Mien (1310-1359) und Zhu Derun (1294-1365) oder anderer beweisen, dass die Kunstfertigkeit im Umgang mit Pinsel und Tusche in der Yuan-Dynastie einen Höhepunkt erreichte.

Zwei Werke -- ein Bronzesiegel des mongolischen Kronprinzen in 'Phags-pa-Schrift ( basibawen tongyin "taijizhiyin") und ein Spiegel mit zhunti-Formelspruch in Sanskrit und chinesischen Schriftzeichen ( hanfan liangti zhunti zhoujing) -- geben dem Betrachter einen klaren Eindruck von der kulturellen Vielfalt der Yuan-Dynastie. Bis hinein in die Ming-Dynastie unter der kaiserlichen Förderung der Kunst zeigte sich die geistige Renaissance des Respekts vor dem Altertum. Das ist auch das Hauptthema der vierten Ausstellungskategorie.

[Bild] Dieser in der Yuan-Dynastie gedruckte illustrierte Katalog von Altertümern der Xuanhe-Halle war während der Song-Zeit äußerst wissenschaftlich erstellt worden und entspricht auch nach 900 Jahren noch dem Standard moderner Kataloge.

1456, also im siebten Regierungsjahr des Ming-Kaisers Jingtai (1428-1457, Regierungszeit 1450-1457), gab der Ming -Hof das Werk "Angemessene und grundlegende Regeln der Ernährung des Kaisers" ( yinshan zhengyao) heraus. Der Verfasser dieser Abhandlung war der mongolisch-stämmische Husihui (lebte in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts), der als kaiserlicher Arzt zwischen 1314 und 1330 für Speisen und Getränke zuständig war und im Hof die Speisenhygiene und den Bereich Medikamente verwaltete. Das Buch schrieb er in seiner Freizeit und betonte den Vorrang der Vorbeugung vor Behandlung. Es ist das älteste erhaltene Fachbuch über Nahrungsmittelkunde.

Die Künstlerschulen der Ming-zeitlichen Malerei, sowohl die Angehörigen der Zhejiang-Schule als auch der Wumen -Schule, sind nicht von der Malerei der Yuan-Dynastie oder der Zeit davor zu trennen. In den Werken von Malern wie Lü Ji (1439-1505), Bian Wenjin (lebte in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts), Dai Jin (1388-1462) und anderen erkennt man den Zusammenhang zwischen dem Stil der Zhejiang-Schule und den Gemälden der Südlichen Song. Shen Zhou (1427 -1509), Wen Zhengming (1470-1559) und ihre Nachfolger (etwa Wen Boren [1502-1575], Wen Jia [1501-1583], Wang Fu [1362-1416] oder Xu Wei [1521-1593], um nur diese zu nennen) übernehmen im Großen und Ganzen den Geist der Wumen -Schule. Und bei den Werken von Zhou Chen (1460-1535), Chou Ying (1498-1552) und Tang Yin (1470-1532) ist die Nähe zu ihren Lehrern offensichtlich, doch die Schüler übertreffen ihre Lehrer.

Während der Ming-Dynastie befanden sich die kaiserlichen Brennöfen zur Herstellung von Porzellan in der Stadt Jingde (Provinz Jiangxi). Das Jingde-Porzellan ist ein wichtiger Bestandteil der Sammlung im NPM. Zu Beginn der Ming-Dynastie waren die Lack-Schnitzereien aus der Guoyuan-Werkstatt ( Guoyuanchang) die besten des ganzen Ming-Kaiserhofes. Die in Deutschland ausgestellten Porzellanarbeiten und Lackstücke sind qualitativ und quantitativ sehr ausgewogen.

Die von der kaiserlichen Porzellanfabrik zur Zeit des Ming-Kaisers Yongle (1360-1424, Regierungszeit 1403-1424) hergestellte blauweiße Kugelvase mit Drachendekor ( qinghua longwen tianqiuping) ist 42,6 cm hoch, hat am Bauch einen Durchmesser von 35,5 cm und ist damit die größte und schwerste Vase in dieser Ausstellung. Ebenfalls in der Ausstellung enthalten ist der weltberühmte doucai-Becher mit Hühnermotiv ( doucai jigangbei).

Anhand zwei geschnitzter Lackarbeiten aus der Yongle-Ära -- runde Dose mit Strauchpäonien ( tihong mudan yuanhe) sowie Dose mit Landschaften und Figuren ( tihong shanshui renwu yuanhe) -- lässt sich die Handwerkskunst der Guiyuan -Werkstatt in der frühen Ming-Zeit sehr schön analysieren. Auf der Unterseite der einen Lackdose befindet sich eine mit einem Messer eingeritzte und mit Goldfarbe gefüllte Normalschrift-Gravur mit den Schriftzeichen Daming Xuandenian zhi (zu Deutsch "Hergestellt zur Xuande-Zeit in der großen Ming"), doch darunter kann man auch deutlich eine mit einer Nadel geritzte Normalschrift-Gravur erkennen, die "Hergestellt zur Yongle-Zeit der großen Ming" besagt. Die ursprüngliche Inschrift wurde von unbekannten Fälschern mit schwarzem Lack verdeckt und dann die neue Xuande-Inschrift mit dem Messer eingeritzt. (Kaiser Xuande lebte von 1399 bis 1435, Regierungszeit 1425-1435.) Das belegt die These, welche schon die Ming-zeitlichen Gelehrten Liu Tong (1593-1636) und Yu Yizheng (lebte in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts oder in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts) in ihrem Buch Dijing jing wu lüe vertreten hatten -- die Lackkünstler in der Guoyuan-Werkstatt entfernten bei den aus der Yongle-Zeit stammenden Gegenständen die Inschriften mit dem Hinweis auf die zeitliche Herkunft, brachten statt dessen die Xuande-Inschrift an und übergaben die gefälschten Stücke dann dem Kaiserhof.

In der mittleren und späten Ming-Zeit vergrößerte sich die Vielfalt der Kunsthandwerk-Gattungen. In dieser Ausstellung kann man einen Cloisonnételler mit zwei gegenständigen Drachen ( qiasi falang shuanglong pan) mit der filigran ausgeführten Herstellungsangabe "Hergestellt zur Wanli-Zeit der großen Ming" betrachten. Es ist das einzige Emaillestück im NPM aus der Wanli-Periode. (Ming-Kaiser Wanli lebte von 1563 bis 1620 und herrschte von 1573 bis 1620.)

Von den in der Spätphase der Ming-Dynastie in den Tusche-Werkstätten von Cheng Junfang (1541-1612) und Ye Xuanqing (lebte etwa im frühen 17. Jahrhundert) hergestellten Tuscheblöcken ist jeweils ein rundes und ein eckiges Exemplar zu sehen -- das Tuschestück mit Darstellung eines "Bootes mit Gemälden und Kalligrafien" ( "Shuhua fang" mo) wird Cheng zugeschrieben, das Tuschestück mit dem Motiv "Hundert Söhne" ( "baizitu" mo) ist Yes Werk. Das eine Stück ist schlicht, das andere reich verziert. Schon in der späteren Ming-Zeit legte das Publikum bei Kunsthandwerk großen Wert auf authentische, von bekannten Meistern geschaffene Originalstücke.

Im Jahre 1644 verloren die Ming die Macht an die mandschurischen Invasoren aus dem Nordosten, welche die Qing -Dynastie ausriefen. Die Qing-Dynastie ist jene Epoche, in der alle kaiserliche Sammlungen zusammengefasst wurden. Am engagiertesten war dabei Kaiser Qianlong. Die damaligen Kaiser waren zwar einerseits als "Himmelssöhne" Herrscher, gleichzeitig aber auch Kunstkenner. Sie scheuten keine Anstrengungen, um die besten Kunst- und Handwerkstechniken der vergangenen Dynastien wiederzubeleben. Außerdem wurden neue Techniken entwickelt -- man verwendete nun etwa Emaillefarbe für die Glasur von Porzellan, ahmte die Farbe von berühmten Lackschnitzereien, alten Bronzegegenständen sowie Holz- und Bambusschnitzereien nach und nutzte die natürlichen Farbschichten der in der Mandschurei vorkommenden Songhua-Steinsorte (Songhua shicai) zur Schaffung einer neuen, farblich unvergleichlichen Art von Tuschereibsteinen. Es gab eine erkleckliche Anzahl solcher Neuerungen. Die Gegenstände aus der Qing-Dynastie bilden bei der Ausstellung in Deutschland die fünfte Kategorie.

Die vom tibetischen Buddhismus benutzten Kapitelbände einer Gesamtniederschrift des Buddhistischen Kanons in tibetischer Sprache mit Illuminationen "Kanjur Tripitaka" ( zangwen ganzhuer jing), verschiedene Ritualgegenstände, besondere Jadeobjekte aus Hindustan, von westlichen Missionaren am Hof gemalte Bilder (am bekanntesten von ihnen der Italiener Guiseppe Castiglione [1688-1766], in China unter dem Namen "Lang Shining" bekannt) und außerdem Uhren und Kosmetikgefäße aus Europa belegen das rege Interesse der frühen Qing-Kaiser für fremde Kulturen.

Für die Herstellung des kaiserlichen Siegels aus dem Besitz des Kaisers Qianlong mit der Inschrift "Schatz des Himmelssohnes, dessen Alter rar ist" (biyu "guxi tianzizhi bao" xi ) wählte man ein besonderes Stück grüne Nephritjade. Die Siegelfläche ist quadratisch, die beiden Griffe in Drachenform sind mit gelben Zierkordeln versehen. Die sechs Schriftzeichen auf der Siegelfläche sind in Siegelschrift eingraviert, und auf den vier Seitenflächen ist der komplette Text des vom Kaiser höchstselbst verfassten Guxishuo in goldfarbener Regelschrift ( kaishu) ausgeführt.

Als im Jahre 1780 das siebzigste Lebensjahr des Qing-Kaisers Qianlong begann, zitierte er ein Gedicht des berühmten Dichters Du Fu (712-770) aus der Tang-Zeit: "Es ist nichts Ungewöhnliches, zu saufen und Schulden zu haben, doch 70 Jahre alt zu werden, ist seit jeher selten." Aus diesem Grunde nannte Qianlong sich selbst "alter und rarer Himmelssohn" ( guxi tianzi). Qianlong besaß neben dem für die Ausstellung in Deutschland ausgewählten Exemplar noch zahlreiche andere Siegel mit der Inschrift "alter und rarer Himmelssohn". Die Inschrift dieses quadratischen kaiserlichen Siegels charakterisiert auch den Titel "Schätze der Himmelssöhne" der Ausstellung des NPM in Deutschland. Zwar werden bei dieser Ausstellung "nur" 400 Kunstgegenstände ausgeliehen, doch diese spiegeln die Entwicklung der chinesischen Kunst im Laufe der letzten Jahrtausende wider. Das Nationale Palastmuseum in Taipeh hofft, dass mit dieser über ein halbes Jahr laufenden Ausstellung in Berlin und Bonn beide Seiten gemeinsam einen Rückblick in die Vergangenheit und gleichzeitig eine Perspektive für die Zukunft erhalten können.

(Deutsch von Tilman Aretz)

Chi Jo-hsin ist Wissenschaftlerin und Chefkuratorin der Antiquitätenabteilung im Nationalen Palastmuseum Taipeh.

vgl.: http://www.gio.gov.tw/info/nation/ge/fcr97/2003/3/p324.htm