Kölnische Rundschau, rundschau-online, 20. November 2003
 
     
 

Als sich die Kaiser an Kunst ergötzten
Von Bernward Althoff

BONN. Shou-yang schlummerte einst unter einem Dachvorsprung des Palastes, als eine Pflaumenblüte herab schwebte und sich mitten auf der Stirn der Prinzessin niederließ. Shou-yang wachte auf, merkte nichts von dieser schönen Stigmatisierung und begab sich in den Palast. Die Hofdamen aber gerieten geradezu in Verzückung - und im Nu war Prinzessin Shou-yang zur Trendsetterin geworden. Es war nun schick bei Hofe, eine Pflaumenblüte sozusagen als Schönheitspflästerchen auf der Stirn zu tragen. Eine dauerhafte Mode, denn auf einer Hängerolle aus der Ming-Dynastie (ca. 1370) sieht man eine zarte Dame mit Pflaumenblüte auf der Stirn, und Shou-yang lebte im 4. Jahrhundert.
Solch hübsche Anekdoten (mit dazu gehörigem Kunstwerk) vermag die neue, spektakuläre Ausstellung in der Bonner Bundeskunsthalle zu erzählen, die auch von der Rundschau präsentiert wird. „Schätze der Himmelssöhne“ vereint 400 Objekte aus fünf Jahrtausenden aus der schier unermesslichen kaiserlichen Sammlung des Nationalen Palastmuseums Taipeh. Erstmals sind diese Kulturschätze - Bronze, Keramik, Porzellan, Jadeschmuck, Lackarbeiten und Tusche-Zeichnungen - in Deutschland zu sehen.

Die Herrscher im Reich der Mitte - die „Himmelssöhne auf dem Drachenthron“ - kamen und gingen, mal war China groß und vereint, mal zersplittert und unter fremdem Joch - eine Tradition hielt sich aber über 2000 Jahre: Die Kaiser sammelten Kunstwerke aus ihrem Reich, und sie sammelten nur das Beste. Am Ende, also vor 100 Jahren, befanden sich am Hof zu Peking rund 700 000 Objekte der bildenden Kunst wie auch kostbare Gegenstände des Alltags. Der Besucher aus dem Abendland steht etwa staunend vor den kostbaren Bronze-Kultgefäßen, die rund 3500 Jahre alt sind. Vergleicht man den doch reichlich groben Bronzeguss der mykenischen Kultur in Griechenland aus derselben Epoche mit diesen kunstvoll gearbeiteten Speiseopfergefäßen, lässt sich ein großes Ost-West-Gefälle feststellen.

Die Schau gliedert sich nach diesem „Paukenschlag“ der chinesischen Antike in vier große Abschnitte: die Han- bis Sung-Dynastien (216 v.Chr. bis 1280), die Fremdherrschaft der Mongolen-Kaiser (1280-1368), dann die Ming-Dynastie (1370-1644) und abschließend die knapp 300-jährige Herrschaft der Mandschu-Kaiser (Chi' ing-Dynastie).

Absolute Hingucker sind die vielen Porzellane, deren Herstellung über Jahrhunderte ein streng gehütetes Geheimnis waren, ehe 1713 dem sächsischen Alchimisten Johann Georg Böttger in Meißen die „Neu-Erfindung“ des Porzellans in Europa gelang. Wenn man die wunderschönen blauen Ming-Vasen mit Drachenmotiven mit dem berühmten Drachen-Porzellan aus Meißen vergleicht, muss man der sächsischen Porzellan-Manufaktur des 18. Jahrhundert Komplimente machen: Der Westen hatte aufgeholt!

Die Mandschu-Herrscher des 17. Jahrhunderts holten sich europäische Künstler an den Kaiserhof zu Peking. Zu ihnen zählte der italienische Jesuit Giuseppe Castiglione, der mit seinen Tuschegemälden am Kaiserhof großes Ansehen genoss, wie sein fast drei Meter langes Rollgemälde beweist, das in Bonn zu sehen ist. Doch eines musste sich der malende Missionar „verkneifen“: die Tiefenräumlichkeit, wie sie in Europa seit der Renaissance gang und gäbe war. Damit konnten sich die Chinesen nicht anfreunden.

Wohl aber mit europäischem Schnickschnack - pardon Kunsthandwerk -, wie eine winzige Taschenuhr in Form einer Laute aus dem 18. Jahrhundert aus England oder ein Schminkkästchen aus Westeuropa beweisen. Kleine Aufmerksamkeiten europäischer Diplomaten für den Herrscher auf dem Drachenthron. Im 19. Jahrhundert war's damit vorbei: Statt Taschenuhr und Make-up-Täschchen brachten die Engländer das langsam tötende Opium ins Reich der Mitte. Doch das ist eine andere Geschichte.

(KR)

vgl.: http://www.rundschau-online.de/kr/page.jsp?ksArtikel.id=1069259083512&listID=1038839388 522& openMenu=1038839385909& calledPageId=1038839385909