Kölnische Rundschau, 17.07.2003 21:13 Uhr
 
     
 

Himmelssohn als Drachen verehrt
Von HOLGER MEHLIG

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Kopfstütze aus der Sung-Dynastie (960-1279) in Form eines Kindes.

BERLIN. Wahrsager bezeichneten sein Antlitz als „Ebenbild eines uralten Drachens“. Das war ein großes Kompliment, galten Drachen in China doch als Symbol für vom Himmel verliehene Macht und Herrschaft, wie sie nur Kaiser besaßen. Das über 700 Jahre alte Bildnis von Kaiser Ning-tsung ist eines von mehr als 400 erstmals der Öffentlichkeit präsentierten Meisterwerken, die in einer Ausstellung im Berliner Alten Museum chinesische Kultur und Geschichte beleuchten.
Ning-tsung war ein Sohn des Himmels. „Schätze der Himmelssöhne“ lautet dementsprechend der Titel der Schau, die ab heute zu sehen ist. Doch die Kaiser waren nicht nur mächtig und konnten nach Belieben walten. Sie hatten auch Pflichten: Kunst musste gesammelt werden, um den Nachfahren Leben und Wirken zu überliefern.

So ist ein unermesslicher Schatz aus Schnitzereien, Vasen, Bronzegefäßen, Handschriften und Porzellanen zusammen gekommen. Allein 700 000 Objekte lagern heute im 1965 eröffneten Nationalen Palastmuseum Taipeh in Taiwan. Wenzel Jacob, Chef der Bundeskunsthalle Bonn als nächster Ausstellungsstation, hat zehn Jahre daran gearbeitet, Schlüsselwerke aus der weltweit größten Sammlung chinesischer Kunst nach Deutschland zu holen. Das war nicht einfach, machte die Politik doch fast einen Strich durch die Rechnung. 1949 hatte die taiwanische Regierung den Schatz vom chinesischen Festland nach Taiwan verschifft, nachdem sie einen Bürgerkrieg gegen die Kommunisten verloren hatte. Seitdem sehen sich beide chinesische Staaten als rechtmäßige Eigentümer der Kostbarkeiten an. Die Volksrepublik China, so die Sorge der Taiwaner, könnte die Rückgabe der Stücke verlangen, wenn sie in Deutschland ausgestellt würden. Erst als Deutschland die Garantie gab, den nationalen Schatz vor dem Zugriff Dritter zu schützen, willigten die Taiwaner ein, ihre Schätze auszuleihen. Im Gegenzug erhalten sie von den Staatlichen Museen zu Berlin 2004 „Ein Jahrhundert deutscher Kunst. Meisterwerke vom Klassizismus zur frühen Moderne“.

Rund sechs Jahrtausende chinesischer Geschichte bildet die Ausstellung ab. Das älteste Exponat, eine Keramik, stammt aus dem Jahr 4000 vor Christus, die jüngsten aus dem späten 19. Jahrhundert. Mit der Schau soll die Entwicklung einer der langlebigsten Hochkulturen dokumentiert werden. Eindrucksvoll sind vor allem die fein gezeichneten Porzellane aus der Ming-Dynastie. Ausgestellt sind beispielsweise eine blauweiße Kugelvase mit Drachendekors oder eine Schale mit acht kunstvoll ineinander verschlungenen Chrysanthemen. Eindrucksvoll sind auch die tausende Jahre alten Bronzegefäße oder die aus Elfenbein, Nussschalen oder Vogelschnäbeln geschnitzten Zierobjekte.

Nicht weit davon entfernt sind Tuschezeichnungen mit Tier-, Menschen- und Landschaftsmotiven zu sehen. Aber auch die Geschichten um die Exponate herum sind spannend: So wird über die Mutter von Kaiser Ning-tsung berichtet, sie habe im Traum einen Sonnenstrahl in den Hof fallen sehen. Diesen habe sie mit der Hand berührt und sei schwanger geworden.

Die glanzvolle Ausstellung ist in Berlin bis zum 12. Oktober, in der Bonner Bundeskunsthalle vom 21. November bis zum 15. Februar zu sehen - hier wird die „Rundschau“ die Schau mit präsentieren und eine Sonderbeilage herausbringen. In Bonn wird die Schau ein etwas anderes Gesicht zeigen: 80 Objekte werden aus konservatorischen Gründen ausgetauscht.

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