October 16, 2005:

[achtung! kunst] *Markt*
 
     
 


Neue Zürcher Zeitung, 8. Oktober 2005
Nach dem Scheich die Chinesen
Georges Waser

Zum Markt für islamische und fernöstliche Kunst

Dass der Lärm um Scheich Saud Al Thani die Londoner Auktionen für islamische Kunst beeinflussen würde, war vorauszusehen. Um in Katar fünf neu entstehende Museen zu füllen, hatte Saud in der Themsestadt jahrelang Kunst für astronomische Summen eingekauft - bis er, der Veruntreuung öffentlicher Gelder verdächtigt, Anfang 2005 in seiner Heimat verhaftet und unter Hausarrest gestellt wurde (NZZ 28. 5. 05). Der Fall Saud war wenige Tage vor den vergan-genen Londoner Auktionen für islamische Kunst im Frühling bekannt geworden, und in der Tat gerieten diese Ver-steigerungen nicht gerade zum Erfolg für die Auktionshäuser.

Moderatere Taxen

Nicht nur fehlte Saud, sondern es fehlten - vermutlich von den Presseberichten verunsichert - auch einige andere namhafte Sammler. So musste in der jeweiligen Schwerpunktauktion Christie's zahlenmässig über die Hälfte und Sotheby's gar 61 Prozent aller Lose zurücknehmen. Wirft man jetzt einen Blick auf die Taxen in den Katalogen der Londoner Auktionen vom 11. und 12. Oktober, so darf man vorläufig in beiden Häusern mit etwas günstigeren Preisen rechnen - was heisst, dass die dort gehandelte islamische Kunst auch für Sammler mit weniger dicken Brieftaschen in-teressant werden könnte.

Einen Höhenflug scheint hingegen der Markt für chinesische Kunst zu erleben. So verkaufte sich am 12. Juli bei Christie's in London eine Porzellanvase aus der Yuan-Dynastie für 15,7 Millionen Pfund an den Londoner Händler Giuseppe Eskenazi (NZZ 13. 7. 05). Als die Experten die Vase in einem Haus in Holland entdeckt hatten, schätzten sie deren Wert anfänglich auf ungefähr eine Million Pfund. In London schliesslich spielte sie gleich das Dreifache des bisherigen Auktionsrekords für ein chinesisches Kunstwerk ein. Ausschlaggebend war die Qualität. Wie der Händler Eskenazi aussagt, hatte er zuvor (in einer immerhin 45-jährigen Karriere) noch nie ein derart hochkarätiges Porzel-langefäss gesehen. Doch nicht genug damit, dass die Auktion bei Christie's für Aufsehen sorgte: Drei Tage später ver-kaufte sich bei Woolley and Wallis in Salisbury eine Yuan-Vase, die mit einer Schätzung von 200"000 bis 300"000 Pfund angeschrieben war, für 2,99 Millionen Pfund. Bieter waren von überall her gekommen, aus China ebenso wie aus Hongkong, und für ein Auktionshaus in der englischen Provinz bedeutete der Zuschlag denn auch einen neuen Rekord. Die Vase war zum Vorschein gekommen, als ein Ehepaar, dem es um die Versicherung ging, seinen Hausrat einschätzen liess - im Jahr 1900 hatte ein Verwandter für das Stück 10 Pfund bezahlt.

Das in den Auktionshäusern des Westens bekundete starke Interesse an chinesischer Kunst regt die Frage nach den Käufern an. Sind es grossenteils die Chinesen, darauf bedacht, ihr kulturelles Erbe zurückzuholen? Giuseppe Eskenazi warnt vor einer Verallgemeinerung: Es gebe wohl Chinesen, die Spitzenpreise zu zahlen gewillt seien, aber nicht unter den in China lebenden. Es seien einige wenige Ausgebürgerte, "Sammler vom chinesischen <Festland> hingegen kaufen fast nur in den mittleren und unteren Preislagen". Schwergewichtige Käufer seien nach wie vor die Amerikaner und die Schweizer. Und die vielen neuen Museen, die in China in der Dekade nach 2010 entstehen sollen? Eskenazi gibt zu, dass sowohl die chinesische Regierung als auch der wirtschaftliche Boom dafür gesorgt haben, dass zum legalen Import von Kunstwerken weitaus mehr Geld vorhanden ist als noch vor fünf Jahren. Vorläufig aber seien in China nur ganz wenige Museen - das Poly Art Museum in Peking zum Beispiel - bereit, zu Spitzenpreisen einzukaufen.

Erwachender Kunstmarkt in China

Doch auch wenn sich in China die meisten der neu geplanten Museen auf temporäre Ausstellungen beschränken sollten: Eine wachsende Museumskultur dürfte auf den Kunstmarkt in China als Triebfeder wirken. Bereits trägt sich denn auch die eine oder andere Londoner Galerie mit dem Gedanken an eine Niederlassung in Schanghai oder Peking. Aber kaufen die Chinesen nebst ihrer eigenen Kunst auch anderes? Laut Eskenazi lässt diese gegenwärtig alles, was nicht aus China kommt, völlig kalt - "sogar die koreanische und die indische Kunst, die der ihren doch so ähnlich ist". Die Chinesen glaubten, sagt Eskenazi, sie hätten einfach das Beste. "Denn vergessen Sie nicht: Ihre Kunst war das Resultat eines Feudalsystems - also sehen sie auf alles andere herab." Das aber zeugt von einer völligen Kehrtwendung. Als in China nämlich das Feudalsystem verpönt war, fanden auch dessen künstlerische Erzeugnisse beim Volk wenig Anklang.


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Neue Zürcher Zeitung, 1. Oktober 2005
Chinesische Flüsse und japanische Erotik
Christian Schaernack

Rückblick auf die Asiatica-Auktionen in New York

Für Schlagzeilen auf den New Yorker Asiatica-Auktionen, die am 23. September zu Ende gegangen sind, sorgte vor allem ein Los: Knapp 4 Millionen Dollar - und damit gut das Zehnfache der Taxe - erzielte bei Sotheby's eine Meip-ing-Vase aus der Ming-Dynastie, die aus der Sammlung Laurance S. Rockefeller kam. Dort war das Kleinod freilich eher zweckentfremdet gewesen - mit Lampenschirm zur Tischleuchte umfunktioniert. Der Boden des Gefässes weist dabei nicht nur eine uncharakteristische Öffnung auf - vermutlich zur Einführung einer elektrischen Leitung - , sondern auch ein vergilbtes Label, das die Vase fälschlicherweise der späteren Qianlong-Periode der Qing-Dynastie zuschreibt. Vielleicht war auch deshalb der Versicherungswert noch 1967 auf nur 200 Dollar beziffert worden. Nach heftigem Bietgefecht war der Zuschlag für die Vase schliesslich an Eskenazi Ltd. aus London gegangen. Das Gesamtergebnis bei Sotheby's von 12,8 Millionen Dollar für die Auktionen mit chinesischer Kunst darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Rest der Session wenig erfolgreich war. Über die Hälfte der Lose ging zurück.

Breit gestreut war dann auch das Angebot an chinesischer Kunst bei Christie's. Als Toplos der Veranstaltung schnitt ein Gemälde Wang Mengs (1309-1385) ab, das knapp 1,7 Millionen Dollar brachte. Insgesamt fanden im Rockefeller Center rund 70 Prozent der Lose ihre Käufer und garantierten dem Auktionshaus ein Ergebnis von 14,5 Millionen Dollar.

Die zweite Neuigkeit der Woche - neben der Meiping-Vase - war der Boom moderner und zeitgenössischer Kunst aus Indien. Sowohl bei Christie's als auch bei Sotheby's hagelte es sechsstellige Preisrekorde für Künstler, die zwar auf dem Subkontinent etabliert sind, an deren Namen sich so mancher Sammler aus dem Westen aber noch gewöhnen muss: Akbar Padamsee (geb. 1928), Ram Kumar (geb. 1924), Maqbool Fida Husain (geb. 1915) oder Francis Newton Souza (1924-2002). Bei Sotheby's erzielte Tyeb Mehtas "Mahisahura" - ein Gemälde von 1997 - gar einen Preis von 1,6 Mil-lionen Dollar.

Etwas durchzogen war allerdings bei Sotheby's die Auktion "The Arts of the Buddha" mit chinesischer, koreanischer und vietnamesischer Ware sowie Spitzenstücken aus Gandhara. Bei einer Absatzquote von rund 60 Prozent konnte das Unternehmen knapp über 2 Millionen Dollar umsetzen. Dagegen schnitt Christie's mit seiner traditionellen Auktion japanischer und koreanischer Kunst besser ab. Über drei Viertel der Lose wurden verkauft (Gesamtumsatz: 4 Millionen Dollar), wobei zwei altbekannte Klassiker die Bieter aus der Reserve lockten: Chong Sons Album mit acht Ansichten der Flüsse Xiao und Xiang (598"400 Dollar) sowie eine Erstausgabe von Kitagawa Utamaros "Utamakura" mit zwölf ero-tischen Illustrationen, die einem Sammler aus Europa 441"600 Dollar wert war.

 

 

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Matthias Arnold
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