December 2, 2003:
[achtung! kunst] Chinesische Krieger mit Lackschäden
 
     
 


DIE WELT, 29.11.
Berliner Morgenpost - 29. Nov. 2003

Chinesische Krieger mit Lackschäden
Münchner Forscher festigen die marode Bemalung der Terrakotta-Armee
von Barbara Witthuhn

München - Der erste chinesische Kaiser, Qin Shihuangdi, wurde mit einer prachtvollen Grabbeigabe bestattet: einer gewaltigen Armee aus mehreren Tausend lebensecht bemalten Terrakotta-Kriegern. Für Archäologen sind die tönernen Soldaten aus dem Jahr 221 vor Christus ein unbezahlbarer Schatz - ihre Restauration aber eine Herausforderung: Sobald Forscher die Figuren ausgraben, beginnt deren Verfall. Der Grundierungslack blättert ab und mit ihm die darüber liegende Farbschicht. Zurück bleiben die ockerfarbenen Rohlinge, die man von Bildern kennt.

Mit etablierten Verfahren lassen sich die Farben nicht bewahren. Professor Heinz Langhals und seine Mitarbeiterin Daniela Bathelt von der Ludwig-Maximilians-Universität in München berichten nun in der Fachzeitschrift "Angewandte Chemie", wie sie die Bemalung erhalten können. Erste Langzeitstudien zeigen, dass sich die so gebundene Farbe auch nach mehreren Jahren nicht löst.

Die Terrakotta-Soldaten haben ein hartes Schicksal hinter sich: Nachdem vor mehr als 2000 Jahren ein schwerer Brand die Abdeckungen der unterirdischen Gruben zerstört hatte, in denen sie stehen, begrub eine bis zu 200 Meter dicke Schicht aus Lehm und Löß die Armee. In dem wassergesättigten Boden ruhten die Ton-Soldaten bis zu ihrer Entdeckung im Jahr 1974.

Insbesondere die Bemalung hat unter den Lagerbedingungen gelitten. Sie besteht im Wesentlichen aus zwei Materialien: einer Grundierung mit dem ostasiatischen Qi-Lack und darüber einer Schicht Farbpigmente. "In den Qi-Lack hat sich Wasser eingelagert, das er bei der Ausgrabung verliert", sagt Daniela Bathelt. Nach knapp 30 Minuten an der Luft trocknet der Lack, reißt ein, rollt sich zusammen und löst sich schließlich mit der Bemalung von den Figuren.

Um die Farbe der Terrakotta-Krieger zu erhalten, gibt es zwei Strategien: eine Art Schnellkonservierung, mit der man verhindert, dass die Figuren vollständig austrocknen und ein zweites Verfahren, der den Originallack nachhaltig an die Tonkörper bindet. Bei der Schnellkonservierung ersetzt man einen Teil des Wassers in den vollgesogenen Tonfiguren durch so genanntes Polyethylenglykol. Es ist Wasser anziehend und verhindert dadurch, dass die Grundierung austrocknet und reißt. Das Problem ist, dass die Krieger durch die Behandlung berührungsempfindlich werden. "Ihre Oberfläche bleibt feucht, und Schmutz haftet leichter auf den Figuren", beschreibt Daniela Bathelt.

Die Grundierung nachhaltig an die Terrakotta-Körper zu binden, ist komplizierter. Ein einfacher Lacküberzug platzt mit ab, wenn die Grundierung sich löst. Langhals und Bathelt haben daher einen andere Strategie gewählt: Sie haben eine bindende Schicht zwischen den Originallack und die Terrakotta-Oberfläche eingetragen. Die Kunst dabei ist, den Originallack gleichmäßig zu durchdringen, denn sein molekularer Aufbau gleicht einem engmaschigen Netz. "Wir haben sehr kleine wasserlösliche Moleküle verwendet, so genannte Hydroxyethylmethacrylate (Hema), die bis zur Terrakotta durchdringen können", sagt Langhals. Diese Moleküle haben sie anschließend zu langen Ketten verknüpft, wobei ein Verwandter des Plexiglases entsteht. Er bindet auf der Terrakottafläche und dem Qi-Lack und hält so die beiden Schichten zusammen.

Um die Hema-Moleküle unter der Lack- und Farbschicht zu verketten, verwenden die Forscher die Elektronenstrahlhärtung. Dazu werden Elektronen in einem elektrischen Feld beschleunigt - ähnlich wie in einer Fernsehbildröhre. Statt auf einen Bildschirm prallen sie jedoch mit wesentlich mehr Energie als im Fernseher auf die Tonprobe; sie durchdringen die Schicht aus Pigmenten und Qi-Lack und übertragen ihre Energie auf einzelne Hema-Moleküle, die mit benachbarten Hema-Molekülen dann zu Ketten reagieren.

Bisher hatten die Forscher an einzelnen Tonfragmenten untersucht, ob sich das Verfahren für die wertvollen Funde eignet. Inzwischen sind sie zuversichtlich, dass damit eine Haltbarkeit von mindestens 50 bis 100 Jahren erreicht wird. Demnächst soll erstmals ein Krieger komplett mit der Methode restauriert werden.

Artikel erschienen am 27. Nov 2003

http://www.welt.de/data/2003/11/27/202834.html?search=lacksch%E4den&searchHILI=1 (requires login)


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